Gefährliches Halbwissen: 10 Erste-Hilfe-Mythen aufgeklärt
- sofiaandresen7
- 20. Aug.
- 7 Min. Lesezeit
Im Notfall zählt jede Sekunde – und doch kursieren viele Ratschläge, die nicht nur nutzlos, sondern sogar gefährlich sein können. Viele Menschen vertrauen auf Tipps aus der Kindheit, auf gut gemeinte Ratschläge von Freunden oder auf Beiträge aus sozialen Medien. Das Problem: Wer im Ernstfall falsch reagiert, verschlimmert die Situation oder gefährdet sogar Leben. In diesem Artikel räumen wir mit 10 weit verbreiteten Erste-Hilfe-Mythen auf, erklären, warum sie riskant sind, und zeigen, wie du es besser machst.

1. Butter hilft bei Verbrennungen
Ein Klassiker aus Omas Zeiten: Angeblich soll Butter die Haut nach einer Verbrennung kühlen. Tatsächlich richtet man damit eher Schaden an. Fett speichert Wärme, sodass die Haut noch länger der Hitze ausgesetzt ist. Außerdem können Keime leichter eindringen und Infektionen verursachen.
Richtig: Die betroffene Stelle sofort für 10–15 Minuten unter lauwarmes, fließendes Wasser halten. Keinesfalls eiskaltes Wasser oder gar Eiswürfel verwenden – das kann die Haut zusätzlich schädigen. Danach steril abdecken und bei größeren oder tiefen Verbrennungen unbedingt einen Arzt aufsuchen.
2. Blutende Wunden sollten „an der Luft heilen“
Viele Menschen glauben, dass Wunden schneller heilen, wenn Luft daran kommt. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Offene, ungeschützte Wunden trocknen zwar, heilen aber langsamer und sind deutlich anfälliger für Infektionen. Besonders auf Reisen oder im Alltag, wo Schmutz und Bakterien leicht in eine Wunde gelangen, kann das gefährlich werden.
Sinnvoller ist es, eine Wunde nach vorsichtiger Reinigung mit einem sterilen Verband oder Pflaster abzudecken. So wird sie vor Keimen geschützt und kann in Ruhe abheilen. Wer eine stark blutende Verletzung hat, sollte außerdem auf ausreichende Kompression achten, um die Blutung zu stoppen.

3. Fremdkörper sofort entfernen
Wenn ein Splitter, ein Stück Metall oder sogar ein Messer in einer Wunde steckt, liegt der Instinkt nahe, den Fremdkörper sofort zu entfernen. Doch genau das kann lebensgefährlich sein. Häufig wirkt der Gegenstand wie ein „Stopfen“ und verhindert, dass die Verletzung noch stärker blutet. Zieht man ihn heraus, kann die Blutung unkontrollierbar werden.
Im Ernstfall gilt daher: Den Fremdkörper in der Wunde belassen, die Stelle möglichst ruhig lagern und vorsichtig abpolstern, ohne Druck auf den Gegenstand auszuüben. Anschließend sollte umgehend die 112 gewählt werden. Entfernen dürfen den Fremdkörper nur Ärztinnen und Ärzte unter sterilen Bedingungen.
4. Nasenbluten – Kopf in den Nacken
Ein Klassiker aus der Kindheit: „Bei Nasenbluten Kopf nach hinten!“ Leider verschlimmert das die Situation. Das Blut läuft dann in den Rachen und wird oft verschluckt, was Übelkeit oder Erbrechen verursachen kann. Außerdem kann man so schlechter einschätzen, wie stark die Blutung wirklich ist.
Die wichtigste und effektivste Sofortmaßnahme ist, die Nasenflügel für 5–10 Minuten fest zuzudrücken. Der Grund: In rund 90 % der Fälle stammt die Blutung aus dem vorderen Bereich der Nasenscheidewand, wo viele feine Blutgefäße dicht unter der Schleimhaut verlaufen. Durch das Zusammendrücken der Nasenflügel werden diese Gefäße abgedrückt, und die Blutung kann gestoppt werden.
Gleichzeitig unterstützt der konstante Druck die natürliche Blutgerinnung. Nur wenn die Nasenflügel lange genug zusammengedrückt bleiben, kann sich ein stabiler Blutpfropf bilden, der die Blutung zuverlässig verschließt. Wichtig ist außerdem, sich leicht nach vorn zu beugen, damit kein Blut in den Rachen läuft – das kann Übelkeit und Erbrechen verhindern.
Zusätzlich kann ein kühler Lappen oder ein Kühlakku im Nacken förderlich sein. Die Kälte stimuliert Nerven im Nackenbereich, was über Reflexe die Blutgefäße in der Nase verengen kann. Engere Gefäße bluten weniger stark, wodurch die Blutung schneller zum Stillstand kommt.
5. Bei Herzstillstand sollte man erst nach dem Puls suchen
Viele Ersthelfer zögern, weil sie unsicher sind, ob wirklich ein Herzstillstand vorliegt. Sie suchen erst minutenlang nach einem Puls – und verlieren wertvolle Zeit. Das Pulsfühlen wird in der Ersten Hilfe bewusst nicht gelehrt, weil es für Laien äußerst schwierig ist. In einer Stresssituation fehlt oft die Ruhe und Konzentration, um den Puls zuverlässig zu ertasten. Hinzu kommt, dass die Pulsstellen für Ungeübte schwer zu finden sind und bei einer geschwächten Kreislaufsituation häufig kaum fühlbar bleiben. Daher lohnt es sich nicht, Zeit für die Suche zu verschwenden.
Richtig: Wenn jemand bewusstlos ist und nicht normal atmet, zählt jede Sekunde. Sofort die 112 anrufen und mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) beginnen. 30 Mal drücken, 2 Mal beatmen, bis der Rettungsdienst übernimmt oder die Person wieder normal atmet.
Um das Bewusstsein zu Prüfen, wird die Person zunächst angesprochen und bei ausbleibendener Reaktion auch leicht an den Schultern geschüttelt. Es ist wichtig auf eine laute Ansprache zu achten, damit auch schwerhörige oder schläfrige Personen diese wahrnehmen können. Erfolgt auf diese Maßnahme keine Reaktion, gilt es die Atmung zu prüfen. Hierzu hockt man sich neben die Person. Der Kopf wird vorsichtig Richtung Nacken überstreckt, um die Atemwege freizumachen. Daraufhin wird 10 Sekunden lang die Atmung kontrolliert. Um sicherzustellen ob die bewusstlose Person atmet, neigt man das eigene Ohr mit Blickrichtung zum Brustkorb wenige Zentimeter über das Gesicht des/ der Betroffenen. Wenn man nun noch die Hand auf die Rippen legt, kann man gleichzeitig hören, sehen & fühlen, ob eine Atmung vorhanden ist. In der Ersten Hilfe geht man vereinfacht davon aus, dass eine atmende Person auch einen Puls und somit Kreislauf hat. In dem Falle erfolgt die stabile Seitenlage als korrekte Maßnahme. Wenn die Person keine Atmung hat, geht man davon aus, dass sie auch keinen Puls bzw. Kreislauf hat. Dann erfolgt die Herz-Lungen-Wiederbelebung, wie oben beschrieben.

6. Man soll Erbrochenes bei Bewusstlosen sofort entfernen
Natürlich möchte man verhindern, dass eine bewusstlose Person erstickt. Doch ein hektischer Versuch, Erbrochenes aus dem Mund zu holen, kann gefährlich sein – man könnte es tiefer in die Atemwege schieben oder sich selbst verletzen. Wenn eine bewusstlose Person anfängt zu krampfen, kann das für die eigenen Finger im Mund der betroffenen Person zum Verhängnis werden. Abgesehen davon ist auch das Infektionsrisiko für einen selbst erhöht wenn man ohne ordentlichen Schutz wie beispielsweise Handschuhe mit dem Erbrochenen in Kontakt kommt.
Richtig: Die Person in die stabile Seitenlage bringen. So kann Erbrochenes oder Speichel von selbst abfließen, und die Atemwege bleiben frei.
7.Defibrillatoren sind gefährlich für Ersthelfer
Ein AED (Automatisierter Externer Defibrillator) ist ein lebensrettendes Gerät, das bei einem plötzlichen Herzstillstand eingesetzt wird. Er erkennt selbstständig gefährliche Herzrhythmen wie Kammerflimmern und kann mit einem kontrollierten Elektroschock den normalen Herzrhythmus wiederherstellen. AEDs findet man heute in vielen öffentlichen Gebäuden, Bahnhöfen, Flughäfen und sogar in größeren Firmen.
Viele Menschen zögern jedoch, einen AED zu benutzen, weil sie Angst vor einem elektrischen Schock haben. Diese Sorge ist unbegründet, denn moderne Defibrillatoren sind für Laien entwickelt und extrem sicher. Das Gerät prüft nach dem Anlegen der Elektroden zunächst selbstständig, ob überhaupt ein Schock nötig ist. Erst wenn ein entsprechender lebensbedrohlicher Herzrhythmus vorliegt, wird ein Schock freigegeben.
Gefährlich für Helfer wird es nur, wenn man den Patienten während des Schocks berührt. Deshalb sagt der Defibrillator vor der Abgabe des Schocks deutlich an: „Patient nicht berühren“. Wer sich daran hält, geht kein Risiko ein.
Die Vorteile eines AEDs sind enorm:
Er kann Leben retten, indem er das Herz wieder in einen normalen Rhythmus bringt.
Das Gerät führt Schritt für Schritt durch die Wiederbelebung und gibt klare Sprachanweisungen
Die Kombination aus Herzdruckmassage und Defibrillation steigert die Überlebenschancen bei einem plötzlichen Herzstillstand erheblich.
Kurz gesagt: Ein AED ist für Ersthelfer nahezu narrensicher und ungefährlich, solange man die Hinweise beachtet. Warten oder zögern kostet dagegen wertvolle Zeit – und kann über Leben und Tod entscheiden.

8.Starke Blutungen müssen sofort abgebunden werden
Viele Menschen glauben, dass man bei einer starken Blutung sofort zum Abbinden greifen muss – etwa mit einem Gürtel oder Seil. Tatsächlich ist das sofortige Abbinden in der Ersten Hilfe nicht notwendig und kann sogar riskant sein. Ein falsch angelegtes oder zu langes Abbinden kann das Gewebe dauerhaft schädigen, weil es nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt wird.
Die empfohlene Maßnahme bei starker Blutung ist der Druckverband. So gehst du vor:
Wunde abdecken: Lege eine sterile Kompresse direkt auf die Blutung.
Druckpolster auflegen: Nimm eine in Plastik verpackte Mullwickel oder einen anderen festen Gegenstand und platziere es mittig auf der Wunde.
Straff fixieren: Wickle nun eine Mullbinde um die verletzte Stelle, sodass das Druckpolster die Blutung stoppt, ohne die Durchblutung komplett abzuschnüren. Die Wickel muss nicht mit Zug, sondern einfach nah am Körper abgewickelt werden. Durch die multiplen Windungen und die Elastizität des Materials, entsteht automatisch ein ausreichender Druck lokal auf das Polster und somit die Wunde.
Blutung kontrollieren: Prüfe regelmäßig, ob die Blutung gestoppt ist und die betroffene Extremität weiterhin durchblutet bleibt (Hautfarbe, Wärme, Gefühl).
Ein Abbinden (mittels Tourniquet) ist in der Ersten Hilfe nur in absoluten Ausnahmen notwendig, zum Beispiel bei starken arteriellen Blutungen, wenn ein Druckverband nicht wirkt oder die Blutung lebensbedrohlich ist. In diesem Fall sollte das Tourniquet so nah wie möglich am Körperstamm und mit dokumentierter Uhrzeit angelegt werden.
Durch einen korrekt angelegten Druckverband lässt sich die große Mehrheit starker Blutungen kontrollieren, ohne die Risiken eines sofortigen Abbindens einzugehen.
9. Bei Verschlucken reicht es, kräftig auf den Rücken zu schlagen
Wer sich verschluckt, braucht schnelle Hilfe. Ein verbreiteter Irrtum ist, dass ein paar kräftige Schläge auf den Rücken immer genügen. In Wirklichkeit können diese nur dann effektiv sein, wenn sie richtig angewendet werden. Wenn die Person bereits heftig am Husten ist, sich die Gesichtsfarbe zu rötlich-blau ändert und sie sich eventuell panisch an den Hals greift, ist es Zeit als Ersthelfer einzugreifen.
Dies sollte so erfolgen:
Zuerst fünf kräftige Schläge zwischen die Schulterblätter ausführen. Bestenfalls ist die betroffene Person leicht nach vorne gebeugt. Der Schlag wird mit einem Impuls von hinten unten nach vorne oben zwischen die Schulterblätter gegeben. Das ermöglicht dem Fremdkörper sich in die richtige Richtung zu lösen.
Hilft das nicht, folgen fünf Heimlich-Manöver (Bauchkompressionen). Hierbei stellt man sich hinter die Person und legt eine Faust unterhalb der Rippen mittig auf den Bauch.Man umgreift die Faust mit seiner anderen Hand. Nun zieht man seine Hände zu sich und nach oben, wodurch der Bauch- sowie Brustraum der Person vor sich komprimiert werden. Der dadurch entstandene Druck kann den Fremdkörper nach oben aus der Luftröhre befördern. Wenn dies ebenfalls erfolglos war führt man weiter abwechselnd 5 Rückenschläge und 5 Heimlich Manöver durch, bis der Fremdkörper rauskommt oder die Person bewusstlos wird.
Wird die Person bewusstlos, sofort den Notruf wählen und mit der HLW beginnen. Durch die Thoraxkompressionen kann der Fremdkörper oft gelöst werden, während die lebenswichtige Sauerstoffversorgung gesichert wird.
10. Notruf nur wählen, wenn man sich ganz sicher ist
Viele Menschen zögern im Notfall, weil sie Angst haben, die 112 „unnötig“ zu blockieren. Doch diese Unsicherheit kann im Ernstfall tödlich sein. Niemand wird für einen Notruf bestraft, wenn er gut gemeint, aber nicht zwingend notwendig war.
Die Rettungsleitstelle ist genau dafür da, einzuschätzen, welche Hilfe gebraucht wird. Wer sich unsicher ist, sollte lieber einmal zu viel als zu wenig den Notruf wählen – denn Zeit kann Leben retten.

Erste-Hilfe-Mythen entlarvt: Richtiges Wissen rettet Leben
Diese 10 Erste-Hilfe-Mythen zeigen, wie gefährlich Halbwissen sein kann. Wer sich regelmäßig informiert und seine Kenntnisse in Erste-Hilfe-Kursen auffrischt, fühlt sich sicherer und kann im Ernstfall Leben retten.
Also: Mach dich fit für den Notfall – unsere Erste-Hilfe-Kurse vermitteln dir praxisnah, was wirklich zählt!



